Der 1992 geborene Arzt und Lyriker Jakob Leiner hat mit „Gewetter“ seinen vierten Gedichtband vorgelegt. Diesmal sind es lyrische Notizen zu Reisen, überschrieben schlicht und sachlich mit Datum, Ort und Uhrzeit – etwas wie ein poetisches Tagebuch also, aus Orten quer durch Europa, darunter auch aus der Freiburger Regio. Das Thema in Variationen: Mensch und Natur(-zerstörung). Da gibt es Berichte zu Wanderungen mit so unprätentiösen wie treffenden Versen wie Was dieser Tag gebracht hat/in der Tasche/5 Steine/in Wahrheit eine/ganz und gar unpathetische Ruhe. Auch leichte, verspielte, humorvolle Gedichte wie die über den Schwarm der Störche, die „in sorgsamer Spirale“ steigen, um dann zusammen wieder zu fallen aus bleierner Luft. rum/wa fragt sich der mit ihnen fallende Beobachter, um sich selbst zu antworten: irgendwas mit dem Wetter/muss es sein. Andererseits bleibe ich an intellektuell-spröden Versen hängen, wissenschaftlichen Fachbegriffen, assoziativ Verrätseltem, das mir die Lesefreude nimmt, weil ich den Verdacht nicht loswerde, dass es sich bedeutsamer gibt, als es ist. Warum es sich für mich unbedingt gelohnt hat, dranzubleiben? Wegen dieser speziellen Mischung aus trockener Ironie und sinnlicher Begeisterung, wegen Versen wie diesen über das „Castello di Duino, bei Trieste“:
unter donnernder Bläue/Gellen des obersten Reihers/der sich in die Adria stürzt/hier wird es begrüßt/von Engeln zu reden/wie ein Licht das alle/Helligkeiten trägt/als altes Flüstern/fortgetragen/die Adern voll Dasein. (…) aber bitte/nicht so stürmisch.
Jakob Leiner, Gewetter. Gedichte. Qintus-Verlag Berlin, 2022, 18 €.