Reißende soll man nicht aufhalten …

Ich packe meinen Baum, ohne zu zögern,
am pieksigen Stämmchen, wie man Brennesseln anfasst,
ich ziehe, er biegt sich, die Wachsmodeln klickern,
ich zerre, bis die Kugeln scheppern,
und er wirft einen Stern nach mir, Kometen, ich schüttle ihn und etwas zerschellt.
Ich spucke Lametta. Er erwidert ein Rieseln.
Ein schiefkahler Krieger. Doch er hält stand.

Da setz‘ ich mich zu ihm. Betrachte die Scherben.
Lausche dem Rieseln. Befühle
Nadeln und fühle, wie sehr sie
Erde suchen, enttäuscht von meinem Parkett.

Lesestoff für pragmatische Idealisten: „24 Geschichten vom Tun und vom Lassen. Gemeinwohl-Ökonomie in der Praxis.“

Was passiert, wenn nicht finanzieller Erfolg, sondern der Beitrag zum Gemeinwohl zur Orientierung wirtschaftlichen Handelns wird? Das Buch, das diese Frage ganz pragmatisch, mit bereits gelebten Beispielen beantwortet, ist noch gar nicht erschienen, kann aber schon als Gutschein unter den Baum gelegt werden. „24 Geschichten vom Tun und vom Lassen. Gemeinwohl-Ökonomie in der Praxis“ heißt es und wurde von einem engagierten Team aus GWÖ-Beratern erstellt.

Wenn ich behaupte, dass dieses Buch sich spannend liest, dass es auf werbliche Schaumschlägerei verzichtet und lehrreich ist, ohne zu dozieren, weiß ich, wovon ich rede, denn ich habe es lektoriert (bekomme aber keine Prozente für diese Empfehlung!). Berichtet wird von den Höhen und Tiefen, dem Überlebenskampf und den beträchtlichen Erfolgen verschiedenster Unternehmen und Institutionen, darunter ein namhafter Sojafabrikant, eine Raiffeisenbank, ein Mobilfunkanbieter, Gemeindeverwaltungen, eine Wohnanlage, ein staatlicher Forstbetrieb, ein Online-Buchladen …

Christian Felber, der „Erfinder“ der GWÖ, hat ein Vorwort beigetragen. Wer bis zum 30.12. bestellt, unterstützt das Crowdfunding noch ganz direkt. Nähere Infos und Bestellmöglichkeit hier: https://www.oekom-crowd.de/projekte/24-wahre-geschichten/

Lesetipp. „Mama allein in New York“ von Rena Blessing erzählt New York noch einmal neu: aus der mal sanft, mal verzweifelt ironischen Perspektive einer Expat-Mama.

Frau Life Science hat einen Mann, den Lifescientisten, den es des beruflichen Fortkommens wegen nach New York verschlägt – und natürlich kommt sie mit, samt dem Forschernachwuchs, dem frisch geborenen Baby. Doch New York ist kein Kinderspiel. Man lebt, wie die meisten hier, auf engstem Raum, von einem viel zu kleinen Gehalt, in einer Umgebung, in der ständig irgendetwas kaputt geht. Drei Jahre lang.

Die Abwesenheit von Natur und deutschen Taschentüchern, die erschöpfenden Ausflüge zum Aldi Food Market und das pausenlose In-Beziehung-Sein mit dem Kleinkind wären für Frau Life Science wohl kaum zu ertragen, wären da nicht die Expatmamas: ein loser, aber engagierter Zusammenschluss all der Frauen in derselben Situation. Anfangs empfindet Frau Life Science die banalsten sozialen Interaktionen noch als ungeheuer anstrengend. Doch die Expatmamas würfeln die Kulturen ähnlich energisch zusammen wie die Toddler ihr Spielzeug und erzeugen so genau die Wärme, die man hier dringend braucht.

Und die Stadt hat auch ihre schwerelosen Momente. Niemand findet etwas dabei, wenn der Forschernachwuchs den ganzen Tag Schlafanzug trägt – auch Erwachsene laufen ja mitunter recht unkonventionell herum. Es gibt Museen, die ganz gewöhnliche Erde ausstellen oder einzelne Cornflakes oder die zufällig letzten Textnachrichten vor einem unerwarteten Tod. Und der Besuch eines altbekannten Films im Freiluft-Kino wird zur intensiven Erfahrung.

Die besten Texte kommen übrigens ganz hinten: die Szenen im Bengalischen Barber-Shop zum Beispiel. Oder die Misshandlung einer Mutter durch ihr Kind. Oder die Hommage an „Carrying on“, eine Installation sachenschleppender New Yorker in Manhattan. Das Buch ist aus einem Blog entstanden, den Frau Life Science vor Ort in die Welt schickte – auch das ein kluger Überlebensschachzug.

Rena Blessing, Mama allein in New York. 104 Dinge, die ich dabei gelernt habe. BoD, 12,99 €