Was in schweren Zeiten zählt: Der Roman „Zusammen bleiben“ von Sylvia Schmieder.
Badische Zeitung, Kultur, 28.04.2025. Von Louisa Krieg.
Mari hat keine Wahl. Sie muss ihrem Mann nach Deutschland folgen, der Krieg rückt auch in Ungarn näher. Und nicht nur der rüttelt am Zusammenhalt der Familie, auch noch Jahre später. Ein packender Roman.
Zusammenbleiben oder zusammen bleiben? Für Mari bleibt nur eine Option. Nichts ist für sie wichtiger als die Familie. So ist sie über den plötzlichen Umzug nach Frankfurt, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, zwar traurig, nimmt ihn aber hin. In Ungarn ist es nicht mehr sicher für sie. Davon ist zumindest ihr Mann Ludwig überzeugt, der einst als deutscher Wirtschaftsflüchtling ins Dreiländereck Ungarn-Slowakei-Österreich kam. Deutsche sind nicht mehr gerne gesehen.
Sylvia Schmieders Roman ist eine Geschichte über Mut, das Wandeln zwischen Welten, Zuversicht und Verzweiflung. Er basiert auf authentischen Berichten. In bildreicher Sprache erzählt die Autorin, die in Frankfurt geboren ist und in Freiburg lebt und dort Schreibkurse anbietet, von einer mutigen „Menschenmischerin“. Mit aller Kraft versucht Mari, ihre Familie zusammenzuhalten. Gekonnt knüpft die Autorin aus den Schicksalen der einzelnen Familienmitglieder ein Band. Bis ins Detail seziert sie den Kriegsalltag mit all seinen Grausamkeiten und kleinen Hoffnungsschimmern. Lässt Leserinnen und Leser sich in die Protagonistin hineinversetzen, macht ihre inneren Konflikte spürbar.
In Frankfurt wird die junge Familie vor eine Zerreißprobe gestellt. Eine Zerreißprobe, deren Nachwehen noch Jahre später zu spüren sein werden. Ludwig lässt sich von den Nationalsozialisten mitreißen und zieht für Hitlers Truppen in den Kampf. Schnell wird er an der Front von der Brutalität des Krieges eingeholt. Die Familie ist das Einzige, das ihm noch Kraft gibt. Doch auch ein aufgeflogenes Geheimnis lastet auf den Eheleuten und wieder steht Mari vor schweren Entscheidungen, die sie ganz alleine treffen muss.
Auf der Suche nach Sicherheit
Währenddessen spitzt sich die Lage in Frankfurt zu: Bleiben oder Schutz in der Heimat suchen? Bei ihren Eltern in Nagyszombat? Erneut macht sich die Familie auf eine gefährliche Reise. Doch zurück in Ungarn merkt Mari, dass sie auch hier nicht mehr richtig zu Hause ist. Zu allem Übel wird ihr Bruder Péter, Journalist bei einer Budapester Zeitung, festgenommen und in ein Konzentrationslager gesteckt.
Dass sich diese immer wiederkehrende Zerrissenheit noch viele Jahre später durch die Familie zieht, zeigt eine zweite Geschichte. Auflockernd, als Ausgleich zu den Kriegsszenen, flicht die Autorin die Sichtweise der Enkelin Claudia ein. Sie besucht die zweite Klasse und nichts macht ihr mehr zu schaffen als der Umzug nach Bayern, in ein Dorf weit weg vom Rest der Familie in Frankfurt. Von der Familie, deren Band zwar stark ist, die aber trotzdem immer noch, immer wieder ins Wanken zu geraten scheint.
Sylvia Schmieder: Zusammen bleiben. Edition federleicht, Fuldatal 2024, 336 Seiten, 18 Euro. Lesung: Dienstag, 29. April, 16 Uhr, Begegnungszentrum Laubenhof, Weismannstraße 3, Freiburg